Wer trägt größere Schuld? Jener Priester (61), der sich auf ein intimes Techtelmechtel mit einem anderen Mann einlässt? Oder der „Geliebte“, der heikle Fotos dieser Treffen macht, um den Gottesmann anschließend zu erpressen? Vor dem Augsburger Amtsgericht wurde jetzt ein 50-jähriger Altenpfleger wegen versuchter Erpressung zu einer Bewährungs-Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt. 50.000 Euro sollte der Priester zahlen, um eine Veröffentlichung der verfänglichen Fotos zu verhindern. Weil der Angeklagte ein vollumfängliches Geständnis vor Gericht ablegte, brauchte der geschädigte Priester aus dem Kreis Aichach-Friedberg nicht im Zeugenstand auszusagen, nicht als Zeuge vor Gericht zu erscheinen. Spekulationen in den sozialen Medien zum Trotz könnte sein Fehltritt für den Priester in seinem Beruf ohne Konsequenzen bleiben. Der Fall sorgte bundesweit in den Medien für Schlagzeilen.

Wie eine Gerichtssprecherin mitteilte, nahm die Angelegenheit ihren Anfang, als der Angeklagte im November 2022 mehrere kompromittierende Fotos – und eine Forderung – per WhatsApp an den Priester sandte. Diese Fotos hatte der 61-Jährige gespeichert auf der Dating-Plattform „Romeo“ (Eigenbeschreibung: „Mit Romeo bieten wir ein freundliches Zuhause für alle homo-, bi- und transsexuellen Menschen, die auf der Suche nach heißen Dates, neuen Freunden oder der großen Liebe sind“). Bereits im Vorfeld hatten sich die beiden Männer, so die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung, kennengelernt. Nicht nur im Internet, auch persönlich. Der Angeklagte und der Priester hatten laut Beweisaufnahme vor Gericht mindestens zweimal Sex miteinander gehabt. Entsprechende Fotos der gemeinsamen Momente versuchte der Angeklagte mit seiner Forderung an den Priester anschließend „zu Geld zu machen“. In einer E-Mail forderte er vom Geistlichen 50.000 Euro. Zahle dieser nicht, würde er die Fotos an „das Fernsehen“ schicken und in der bayerisch-schwäbischen Pfarrgemeinde des 61-Jährigen veröffentlichen. Der Priester zahlte nicht. Stattdessen wandte er sich an die Polizei. Daraufhin schickte der Angeklagte im Januar 2023 eine E-Mail mit den Nacktfotos des Priesters an dessen Pfarramt.

Weil der Angeklagte keine speziellen Verschlüsselungen verwendet hatte, konnte er unkompliziert ausfindig gemacht werden. Für die Erpressung benutzte er seine normale Telefonnummer, auch über seine Mailadresse war er für die Polizei leicht zu erkennen. Zu dieser Zeit war der gebürtige Slowake allerdings bereits wieder in sein Heimatland zu seiner Familie gefahren. Aufgrund eines internationalen Haftbefehls war er in Untersuchungshaft genommen worden. Von dort wurde er jetzt in Handschellen in den Gerichtssaal geführt.
Nach Darstellung seines Verteidigers habe sein Mandant unüberlegt gehandelt, die ganze Sache sei ihm sehr unangenehm. Finanziell sei es dem gelernten Altenpfleger seit der Corona-Pandemie nicht gut gegangen.

Strafe: 20 Monate auf Bewährung

Richterin Sabrina Biedermann verhängt für den Angeklagten eine höhere Strafe, als sie von der Staatsanwaltschaft und von der Verteidigung gefordert worden waren. Eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, ausgesetzt zur Bewährung. Als Bewährungsauflage muss der Angeklagte 800 Euro an den Malteser-Hilfsdienst zahlen. Strafmildernd anerkannte die Richterin laut Pressebericht, dass der Angeklagte mit seinem Geständnis dem Priester eine Befragung im Prozess erspart hatte. Negativ zu Buche schlug vor allem, dass der 50-Jährige die Intimsphäre des Pfarrers „in kaum übertreffbarem Maße verletzt“ habe. Eine Veröffentlichung der Bilder hätte die berufliche Existenz des Geistlichen zerstören können.

Wenn Täterinnen und Täter intime Aufnahmen ihrer Opfer nutzen, um diese zu erpressen, spricht die Polizei von Sextortion. Vor allem auf Dating-Plattformen, in Online-Chats & Co. könne dies zur Gefahr werden. Immer öfter sind auch Minderjährige betroffen.

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