Der Frühling ist da, das Wetter wird „besser“, immer mehr Menschen machen sich jetzt wieder mit ihrem Zweirad auf den Weg – zur Arbeit, in die Schule, zum Einkaufen in den Park. Seit einigen Jahren neu auf unseren Straßen: E-Scooter, elektrisch betriebene Tretroller, die (fast immer) mit Tempo 20 durch die Stadt düsen. Und die sich den knappen Platz in der Stadt teilen müssen, meistens mit den Radfahrern, weil E-Scooter auf Radwegen fahren müssen, soweit es diese gibt.
Nun hat der TÜV-Verband Alarm geschlagen: Die Zahl der verletzten E-Scooter-Fahrer stieg im Jahr 2023 um 12 Prozent auf 8.300 Personen. Auf 20 Personen verdoppelt hat sich bundesweit die Zahl der getöteten Rollerfahrer im Vergleich zum Vorjahr, einer darunter im Augsburger Land. Die Forderung der Verkehrsexperten: Einerseits eine Verbesserung der Fahrradinfrastruktur – andererseits aber auch eine konsequente Durchsetzung der Verkehrsregeln durch die Polizei.
„Bund, Länder und Kommunen müssen die schwächeren Verkehrsteilnehmer viel stärker in den Blick nehmen und vor allem die Zweiradinfrastruktur schneller ausbauen“, sagt Richard Goebelt, Fachbereichsleiter Fahrzeug und Mobilität beim TÜV-Verband. Neben ‚normalen‘ Fahrrädern seien vor allem in Ballungsräumen immer mehr Pedelecs, Lastenräder und E-Scooter unterwegs, die für mehr Sicherheit mehr Straßenfläche bräuchten. Durchgängige Radverkehrsnetze und Radschnellwege könnten mehr direkte Verbindungen schaffen und somit einen sicheren Radverkehr fördern. Goebelt: „Trotz der Bemühungen in vielen Kommunen fällt Deutschland beim Ausbau der Zweiradinfrastruktur international zurück.“
Neue Überlegungen zum Radwege-Konzept seit dem Erscheinen von E-Scootern werden in Augsburg derzeit nicht angestrengt, heißt es aus dem von Referent Steffen Kercher geführten Bauamt. Der Ausbau des Radwegenetzes orientiere sich an dem vom Stadtrat beschlossenen Netzplan zum Projekt Fahrradstadt. Grundsätzlich orientiere man sich an den „Standardanforderungen an Radverkehrsanlagen“, die – eine entsprechende Flächenverfügbarkeit vorausgesetzt – eine größere Breite haben und damit auch bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten sicher nutzbar seien. Dies geschehe unabhängig von den E-Scootern, für die die Regelungen der Elektrokleinstfahrzeugeverordnung (eKFV) gelten würden. Forderungen zum Radwegeausbau gebe es in unterschiedlicher Form, im Zusammenhang mit der Nutzung durch E-Scooter würden diese aber nicht auffallend an die Stadt herangetragen.
Polizeipräsidium Schwaben Nord: Viele E-Scooter Fahrer nicht so gut geübt im Umgang
Zum „Sorgenkind“ E-Scooter äußert sich auch das Polizeipräsidium Schwaben Nord: Die hohe Anzahl dieser noch immer ungewohnten Gefährte führe zwangsläufig zu mehr Verkehrssituationen mit E-Scootern, was auch die steigende Zahl an Verkehrsunfällen dieser Art erkläre. „Das gleiche Phänomen haben wir bei E-Bikes/Pedelecs“, so Sprecherin Marion Liebhardt. Viele E-Scooter-Fahrer seien noch nicht so geübt im Umgang mit den „elektrischen Tretrollern“. Andere Verkehrsteilnehmer seien an E-Scooter-Fahrer ebenfalls noch nicht gewöhnt. Dazu zähle das Einschätzen der Geschwindigkeit der „Kleinstfahrzeuge“ und die Wahrnehmung. „Dieses Phänomen kennen wir auch zum Beginn der Motorradsaison, wo ebenfalls beide Punkte eine Rolle in puncto Verkehrssicherheit spielen“, verweist Liebhardt auf eine weitere Problem-Spezies, die dieser Tage aus der Winterpause zurückkehrt.
„Deswegen geht unser Appell an alle Verkehrsteilnehmer, gegenseitig Rücksicht zu nehmen, vorausschauend zu fahren, stets bremsbereit zu sein und damit für sich sowie andere Verkehrsteilnehmer gefährliche Situationen zu vermeiden. Speziell an E-Scooter-Fahrer appellieren wir: Auch ein E-Scooter ist ein Fahrzeug und kein Spielzeug – deswegen muss man sich auch auf dem E-Scooter an die Verkehrsregeln halten.“ Dazu gehöre die Vorfahrt genauso wie die Benutzung der Straße – und die Nichtbenutzung des Gehwegs zum Schutz der Fußgänger. Mehr noch als für Radler gelten für Scooter-Piloten Promillegrenzen und die Beachtung, nicht unter Drogeneinfluss am Straßenverkehr teilzunehmen.
Oft führt das einfache Vorfahrt missachten zu Unfällen
Immer wiederkehrende Unfallursachen bei Radfahrern sind laut Polizei insbesondere die Missachtung der Vorfahrt und ungenügender Sicherheitsabstand. E-Scooter fallen vor allem auf durch eigene Fehler wie Stürze durch Wegrutschen, Fahrfehler, Bedienfehler, Kollisionen mit dem Bordstein, dazu nicht angepasste Geschwindigkeit, verbotswidrig den Gehweg zu benutzen oder durch Unfälle aufgrund von Alkohol- und/oder Drogeneinfluss.
„Die Polizei hat die E-Scooter-Fahrer durchaus im Blick und führt auch Kontrollen durch“, so Liebhardt. Dies betreffe das allgemeine Verhalten im Straßenverkehr, aber auch spezielle Bereiche wie die Überprüfung von Versicherungsschutz bis hin zu Alkohol- und Drogenkontrollen.
Beispiel gefällig? Nicht weniger als vier einschlägige Einträge gab es im Pressebericht eines einzigen Tages: Sowohl ein 19- als auch ein 29-jähriger E-Scooter-Fahrer steuerten ihr Gefährt unter Drogeneinfluss. Mitten in der Nacht wurden sie von der Polizei kontrolliert: Die Drogenschnelltests verliefen positiv. In beiden Fällen ermittelt die Polizei nun wegen eines Verstoßes gegen das Straßenverkehrsgesetz. In der selben Nacht wurde zudem ein 21-jähriger E-Scooter-Fahrer mit 2,1 Promille (Atemalkohol) von den Beamten gestoppt. Einen 17-Jährigen konnte die Polizei hingegen noch frühzeitig „einbremsen“. „Die Beamten beobachteten den 17-Jährigen, wie er augenscheinlich alkoholisiert versuchte, auf einen E-Scooter zu steigen“, heißt es. Die Beamten stoppten ihn noch vor der Fahrt. Ein Atemalkoholtest ergab einen Wert von über 1,3 Promille.
Lesen Sie auch: Augsburger Wahrzeichen sind Dauer-Baustelle – doch Tourismus-Chef ist optimistisch