Bis vor Kurzem machte Russlands Krieg in der Ukraine immer weniger Schlagzeilen. Trotz des seit dem 24. Februar 2022 täglich realen Horrors war die Berichterstattung medial abgestumpft. Aktuell änderte sich dies auf Grund der innenpolitischen Diskussion zum Umgang mit schutzbedürftigen Ukrainern in Deutschland und wegen des Ausgangs der US-Wahl.

Wie wird das Thema lokal wahrgenommen? Die Augsburger als weltoffene Friedensstädter empfingen viele Schutzsuchende und bieten tagtäglich Unterstützung an. Die gerade stattfindenden politischen Veränderungen in Deutschland und der Welt sollten demnächst eine Auswirkung auf den Verlauf des Krieges in der Ukraine haben. Dies wird sich auch bei den Geflüchteten widerspiegeln.

Wie sehen die Ukrainer und Ukrainerinnen Augsburg, wie planen sie ihre Zukunft und was erwarten sie vom kommenden Jahr 2025?

Olha Romanenko: Aus einem Urlaub vor dem Krieg hatte ich Augsburg in guter Erinnerung. Deshalb zog es mich mit meinem siebenjährigen Sohn direkt hierher. Seit März 2022 begegne ich hier netten und hilfsbereiten Menschen, die mir von Wohnungs- bis Arbeitssuche eine wertvolle Unterstützung waren. Ich brauchte länger mit der deutschen Sprache als mein Sohn in Kindergarten und Schule. Dennoch bin ich seit Dezember 2023 bei den SWA als Projektmanagerin IT tätig. Unsere Zukunft sehe ich in einem gemeinsamen Europa mit der Ukraine als Teil davon.

Einerseits will ich mit ukrainischen IT-Teams deutsche Projekte schnell und qualitativ unterstützen. Andererseits will ich das IT-Projektmanagement in der Ukraine weiterentwickeln. Sehen Sie mich als IT-Botschafterin in einem gemeinsamen Raum.

Im Jahr 2025 wünscht sich jede Ukrainerin und jeder Ukrainer natürlich unseren Sieg und die Befreiung der besetzten Gebiete. Doch dabei hängt vieles von den führenden Weltmächten ab, die sich leider nicht darüber im Klaren sind, dass die Ukraine einen vollständigen Sieg erringen muss, wenn die Verteidigung nicht weitergehen soll. Friedensverhandlungen können den Krieg nicht beenden, weil Putin die vollständige Zerstörung der Ukraine als Staat will und niemand in der Ukraine damit einverstanden ist, da alle ukrainischen Bürger in einem demokratischen Staat leben möchten, ein Teil der zivilisierten Gesellschaft sein wollen und nicht zu Sklaven des russischen totalitären Systems werden wollen.

Tetiana Balazh: Mit Kriegsbeginn floh ich nach Lettland und von dort nach eineinhalb Jahren weiter nach Augsburg. Da mein erwachsener Sohn in der Ukraine blieb, fiel mir diese Entscheidung nicht leicht. Die Augsburger halfen mir mit Unterbringung und Sprachkursen, so dass ich mich heute sicher fühle. Gerade schließe ich die Stufe B2 ab und freue mich darüber sehr. Nach dem Deutschkurs will ich eine Ausbildung zur Erzieherin machen, um mit meinem europäischen Abschluss in Deutschland auf Augenhöhe zu sein.

Aktuell bin ich schon ehrenamtlich beim Ukrainischen Verein Augsburg tätig und unterrichte Erstklässler in der ukrainischen Samstagsschule. Was die politischen Veränderungen in den USA und in Deutschland für die Ukraine im Jahr 2025 bedeuten, werden wir sehen. Ich hoffe das Beste und auf die Lieferungen von Taurus-Marschflugkörpern, die der Ukraine bestimmt große Erleichterungen an der Front ermöglichen könnten.

Vadym Nikolaenko: Meine Mutter und ich flüchteten zuerst nach Portugal, doch dort konnten wir uns nicht an das feuchte Klima umgewöhnen und aufgrund des Schulsystems fühlte ich mich unter den Gleichaltrigen unterfordert. So haben wir uns für Deutschland und Augsburg entschieden, wo wir zunächst von einer netten polnischen Familie aufgenommen wurden.

Augsburg hat uns mit seiner kulturellen Vielfalt überrascht, meine Willkommens- und Brückenklassen waren super und alle ukrainischen Jugendlichen bekamen ständig große Unterstützung von Lehrern und dem Direktorat. Was das neue Jahr uns bringt, kann ich nicht erahnen. Ich hoffe, dass sich die Situation in der Ukraine verbessert, möchte mich in Sicherheit befinden und einfach das Beste aus jedem neuen Tag machen.

Olena Nykytiuk: Als Rentnerin war es eine schwere Entscheidung meine Heimat zu verlassen. Den Augsburgern bin ich dankbar für die Unterstützung bei den Deutschkursen. Die Stadt hilft mir, mich zurecht zu finden. Trotz allem fühle ich mich entwurzelt und würde lieber nach Hause zurückgehen können. Ich bin mir sicher, dass im kommenden Jahr Europa und Amerika gemeinsam versuchen, den Wahnsinn in meinem Heimatland zu stoppen.

Ich denke, dass die Ukraine nur mit einem Frieden zu ihren Bedingungen einverstanden sein wird, weshalb ich vermute, dass 2025 auch nur die heißeste Phase des Krieges vorbei sein könnte.

Daria Feliust: Augsburg wurde für mich schon 2015 zur neuen Heimat, nachdem ich 2014 mit Kriegsbeginn im Osten zunächst nach Kyjiw gegangen war. Seitdem lernte ich die Sprache und erwarb einen deutschen Studienabschluss. Ab Februar 2022 konnte ich so mit den Flüchtenden arbeiten und gab für ukrainische Brückenklassen Deutschunterricht. Es ist mir ein Anliegen, den Geflohenen als Augsburgerin genauso mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wie das bei mir selbst 2015 der Fall war.

Vom neuen Jahr 2025 erwarte ich, dass es dank der westlichen Unterstützung in der Ukraine endlich zu einer Konfliktlösung kommt, die beide Parteien akzeptieren werden.

Ukraine in Augsburg: Kurz kommentiert von Olessja Schulz

Zusammen bewegt sich schnell am meisten

Diese alte Weisheit zeigt gerade bei Integration ihren Wert. Wir, Augsburger, wissen: Je mehr freundliche Unterstützung geleistet wird, desto schneller kommt fröhliches neues Leben zurück. Viele gut integrierte Ukrainer danken uns den Einsatz. Bleiben wir zusammen am Ball und kümmern uns umeinander.

Auf politischer Ebene kann man nur hoffen, dass Augsburg, Bayern und Deutschland als Teil der westlichen Wertegemeinschaft schlussendlich zu ihren Versprechen und dem Völkerrecht stehen. Aggression darf zu unserer eigenen, auch inneren Sicherheit und Gesellschaftsfähigkeit, nicht belohnt werden.

Die Ukrainischen Vereine in Augsburg

Ukrainisches Leben in Augsburg braucht nach wie vor Unterstützung bei der Integration, beginnt aber schon immer mehr selbst als neuer Teil Augsburgs Gesicht und Teilhabe zu zeigen. Der Ukrainische Verein Augsburg e.V. unterstützt Kriegsbetroffene im Raum Augsburg und in der Ukraine. Es wird mit integrativem Unterricht und Kunsttherapie geholfen. Der Verein Deutsch-Ukrainischer Dialog e.V. stellt soweit möglich Unterstützung für Geflüchtete zu Verfügung. Hier finden sich zu Behördenfragen und für Fragen des täglichen Lebens wertvolle Ansprechpartner. Infos gibt es unter www.ukrainischer-verein-augsburg.de sowie www.deuadialog.de

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