Erst mal darüber hinwegkommen, durchschnaufen, schauen, wie es weitergeht. Es klingt in der Sache ähnlich, wie sich „unsere“ Bundestagsabgeordneten Ulrike Bahr (SPD), Maximilian Funke-Kaiser (FDP) und Volker Ullrich (CSU) äußern, die bei der Wahl Ende Februar ihren Platz im Parlament verloren haben. Mindestens so einschneidend wie für sie kommt das Wahlergebnis für manchen Mitarbeiter, manche Mitarbeiterin, die jetzt ihren Job verlieren.
Kämpferisch zeigt sich Ulrike Bahr (SPD), die in ein paar Wochen 61 Jahre alt wird, nach der Niederlage ihrer Partei und ihrem Mandatsverlust, sie verweist auf SPD-Ikone Willy Brandt: „Ein Sozialdemokrat geht nicht in Pension.“ Bedeutet für Bahr: „Ich war, bin und bleibe immer ein politischer Mensch – in welcher Art und Weise wird sich zeigen.“ Ob es noch einmal um ein Bundestagsmandat gehen könnte? Ausgeschlossen ist es nicht, für Parlamentarier gibt es keine Altersgrenze. Ein Beispiel gibt die Augsburger Grünen-Abgeordnete Claudia Roth, die dem nächsten Bundestag wieder angehört und die im Mai 70 wird. Bahr blickt zurück und auf die kommenden Tage voraus: „Es war ein kurzer und harter Wahlkampf – bezüglich des knappen Zeitraums, der kalten Temperaturen als auch der harten inhaltlichen Auseinandersetzungen. Ich werde nun sicher mehr Zeit mit meinem Mann und meiner Familie verbringen und Abstand gewinnen. Dann bin ich offen für Neues.“
Neben vagen Hoffnungen gibt´s schon fixe Pläne – viele Mitarbeiter auf Jobsuche
Bahr gehörte dem Deutschen Bundestag seit 2013 an, sie folgte auf Heinz Paula. Während ihre Platzierungen auf der Bayerischen Landesliste anfangs für ein Bundestagsmandat ausreichten, rangierte sie diesmal zu weit hinten. Zuversichtlich zeigt sie sich, was die Zukunft ihrer Mitarbeiter im Augsburger und im Berliner Büro anbelangt. Nachdem Bahr abgewählt, aber niemand an ihrer Stelle neugewählt worden ist, werden die Büros aufgelöst. „Für meine Mitarbeitenden tut es mir persönlich sehr leid. Ihre Verträge laufen zum Ende der Legislaturperiode, also Ende März, aus. Da ich ein engagiertes und gutes Team habe, stehen ihnen viele berufliche Perspektiven offen. Meine Büros in Augsburg und Berlin befinden sich in Auflösung. Ob und wie die Räumlichkeiten in Augsburg und von welchen Nachmietern übernommen werden können? Hierzu laufen Gespräche.“
Ganz ähnlich klingt, was Maximilian Funke-Kaiser (FDP) berichtet: „Die Räumlichkeiten im Bundestag, gerade im Jakob-Kaiser-Haus, wo mein Büro sitzt, sind heiß begehrt. Das Berliner Büro wird von der Bundestagsverwaltung mit Sicherheit schnellstmöglich an einen neuen Abgeordneten vergeben werden. Das Augsburger Wahlkreisbüro wird gerade aufgelöst, der Vermieter wird sicher einen neuen Nachmieter finden.“
Hört man sich bei Betroffenen in Berlin um, gewinnt man einen Eindruck davon, wie schwankend die Stimmung bei den Mitarbeitenden der Bundestagsabgeordneten dieser Tage ist. Wie schon 2013, als die FDP das erste Mal komplett aus dem Bundestag gewählt wurde, wirke sich der erneute Nicht-Einzug massiv auf den einschlägigen Stellenmarkt in der Bundeshauptstadt aus. Hunderte von ehemaligen Beschäftigten seien derzeit auf der Suche. Und wer einmal bei der FDP gearbeitet hat, der möchte nicht so einfach zur Linken oder zur AfD wechseln, bevorzuge einen neuen Job beispielsweise bei der Union. Maximilian Funke-Kaiser verdeutlicht: „Die Arbeitsverträge des Bundestags sind grundsätzlich immer nur für die jeweilige Legislaturperiode befristet und laufen damit auch zügiger ab, wenn die Wahlperiode wegen vorgezogenen Neuwahlen früher endet – da können auch wir Abgeordneten nichts machen. Ich habe aber alle Mitarbeiter frühzeitig dazu angehalten, sich einen Plan B innerhalb des Bundestags oder in der freien Wirtschaft zurechtzulegen. Ich werde meine Leute so lange bei der Suche unterstützen, bis alle mit einem neuen Job versorgt sind.“
Funke-Kaiser: Rückkehr in die Politik fraglich
Auch für sich selbst hat der Augsburger solch einen Plan B: „Ich werde mich jetzt beruflich wieder in Vollzeit um meine Firma kümmern. Ich bin Gründer und Geschäftsführender Gesellschafter der Akkurat Abrechnungsservice OHG in Augsburg. Im Moment habe ich noch keine Pläne für eine Rückkehr in die Politik – die letzten Jahre mit der Doppelbelastung von Beruf und Berufung haben viel Kraft gekostet. Ich werde mich jetzt um meine Familie und um meine Firma kümmern und erstmal meine Gedanken sortieren. Ich kann ein weiteres Engagement in Zukunft aber nicht ausschließen.“
Funke-Kaiser zog als Vertreter der Jungen Liberalen 2021 in den Bundestag ein, dem er dreieinhalb Jahre angehörte. Bei der Wahl am 23. Februar scheiterte die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde. Im Internet hatte sich Funke-Kaiser gleich nach der Wahl kämpferisch geäußert: „Mit dem Ausscheiden der FDP verliert der Deutsche Bundestag die einzige liberale Stimme. Doch sie wird gebraucht – mehr denn je. (…) Liberalismus bedeutet nicht, sich zurückzulehnen, sondern Verantwortung zu übernehmen. Deshalb ist klar: Es muss weitergehen. Und es wird weitergehen. Nutzen wir die Zeit um schonungslos aufzuarbeiten und dann umso stärker zurückzukehren.“
Zurückkehren, das ist das Stichwort für Volker Ullrich, der das für seine Person durchaus in Betracht zieht. Auch Ullrichs Mandat ist dem Wahlergebnis zum Opfer gefallen, obwohl er seinen Augsburger Direktstimmkreis klar gewonnen hatte. Die Anfrage nach seiner Zukunft beantwortet der 49-Jährige so: „Ich kümmere mich um alles und werde der Politik erhalten bleiben“. In verschiedenen Medien-Veröffentlichungen ließ er zudem durchblicken, dass er gerne in Berlin weiterarbeiten würde.
Dazu passt, wie Ministerpräsident Markus Söder und Fraktionsvorsitzender Alexander Dobrindt sich geäußert haben. Nämlich in dem Sinn, dass sie jene drei CSU-Abgeordneten, die ihren Stimmkreis zwar gewonnen, aber wegen der „ungenügenden Zweitstimmendeckung“ nicht ins Parlament einziehen dürfen, weiter beschäftigen möchten. Neben Ullrich betrifft dies Claudia Küng aus München und Sebastian Brehm aus Nürnberg. Wie Ulrike Bahr zog auch Volker Ullrich 2013 zum ersten Mal in den Bundestag ein. Er war Christian Ruck nachgefolgt.
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