Zwischen Hochbeet und Hochspannung: Nur wenige Tage nach ihrem historischen Triumph sitzt Tina Rupprecht in ihrem Schrebergarten und lacht: „Die Gurken sind bei mir noch nie was geworden“ – und man spürt sofort, wie sehr sie hier abschalten kann. Die 32-jährige Boxerin aus Augsburg ist gerade zur Undisputed Championess im Atomgewicht gekrönt worden – als erste Deutsche, die alle vier großen WM-Gürtel im Profiboxen vereint. Und trotzdem wirkt sie wie immer: geerdet, humorvoll, gelöst.

Woran das liegen könnte, ist offensichtlich: Das große Ziel ist erreicht. Nach zehn harten und intensiven Runden bezwang Tiny Tina ihre japanische Gegnerin Sumire Yamanaka verdient nach Punkten. „Ich bin jetzt im Olymp angekommen, habe das erreicht, wovon jeder ambitionierte Boxer träumt“, weiß die 32-Jährige um die Bedeutung ihres Erfolges. „Es fühlt sich immer noch unwirklich an, so richtig realisiert habe ich es immer noch nicht.“

„Fürs Rasenmähen ist mein Mann zuständig“

Bis dato gab es noch kaum Zeit, wirklich zur Ruhe zu kommen und alles auf sich wirken zu lassen. Der Terminkalender in der Woche nach dem historischen Sieg war voll. Neben zahlreichen prominenten Gratulationen von Boxgrößen wie Axel Schulz und Regina Halmich oder auch von Markus Söder standen viele Pressetermine auf dem Plan. Da blieb die Arbeit im gepachteten Schrebergarten in Augsburg beinahe ein wenig auf der Strecke. Trotzdem sieht der Garten direkt am Eiskanal perfekt gepflegt aus, der Rasen ist gemäht. „Dafür ist mein Mann zuständig“, scherzt Rupprecht, die sich vor drei Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Markus Fritschi dazu entschlossen hat, den Schrebergarten von ihren Großeltern zu übernehmen. Dieser gehörte bereits ihren Urgroßeltern.

„Damals war es hier noch sehr verwildert, meine Großeltern konnten sich nicht mehr richtig kümmern, da hat Markus vorgeschlagen, dass wir ihn doch übernehmen könnten.“ Eine gute Entscheidung: „Ich liebe es hier, weil ich als Kind schon hier war und die Lage direkt am Eiskanal perfekt ist.“ Mittlerweile ist aus dem vernachlässigten Kleinod ein echtes Gartenparadies geworden. Mit viel Liebe, Hilfe von Familie und Freunden und einem ausgeprägten Sinn für Ästhetik hat Rupprecht das Grundstück komplett umgestaltet. „Ich mag das einfach, mit den Händen zu arbeiten und etwas zu gestalten. Das ist mein Gegenpol zum Sportalltag.“

Nach dem Japan-Urlaub hat Tina Rupprecht mehr Zeit für den Garten

Wirklich los geht es im Garten allerdings erst nach ihrem wohlverdienten Urlaub in Japan, wo auch ein Treffen mit Eri Matsuda geplant ist. Matsuda war ihre Kontrahentin Ende November, als sich Rupprecht im ersten Vereinigungskampf bereits drei der vier relevanten Titel sichern konnte. „Ich will in diesem Jahr auf jeden Fall ein bisschen was pflanzen, insgesamt ist es mir noch zu leer hier. Richtiges Gemüse wie Tomaten oder Salat kommt dann erst nach dem Urlaub ins Beet.“ Die klappen bereits ganz gut. Nur bei den Gurken hat sie den Dreh noch nicht richtig raus.

Dass Rupprecht Humor hat, beweist sie ohnehin gerne: „Ich mache immer Witze: Ihr dürft mich ab jetzt alle Ms Undisputed nennen.“ Durch den Sieg am 5. April ist sie die erste deutsche Boxerin, die alle vier großen Weltmeistertitel auf sich vereinen konnte. Ein historischer Meilenstein. „Es war ein enger Kampf, aber ich finde, ich habe verdient gewonnen. Unser Plan ist voll aufgegangen“, konstatiert die Profi-Boxerin.

Taktisch war der Kampf gegen die Japanerin gut vorbereitet. „Wir wussten, dass sie drücken wird und nach vorne geht wird, also musste ich sie rausziehen, sie locken, und dann auf sie reagieren, mich nicht zu sehr auf den Infight einlassen.“ Der Schlüssel zum Sieg: „Meine Beinarbeit war definitiv ein Vorteil.“

Zehn Runden höchste Konzentration, kein Raum für Gedanken an eine mögliche Niederlage oder die Konsequenzen des Erfolges. „Ich war so im Tunnel. Ich konnte gar nichts denken. Ich habe nur Alex in der Ecke gehört und alles aufgesaugt wie ein Schwamm.“

Immer entspannt bis kurz vor dem Gong

Rupprechts Kampftag folgte dabei festen Ritualen: Haare machen, Frühstück, ein Spaziergang mit Trainer Alexander Haan – bei dem der Kampf kein Gesprächsthema ist. „Da redet keiner ein Wort über den Kampf. Nur um belanglose Dinge, das genießen wir beide. Insgesamt bin ich eh immer total entspannt, bis kurz vor dem Gong.“

Die letzten Monate vor dem Titelgewinn waren kräftezehrend. „Das Anstrengendste ist eigentlich immer, den Fokus zu halten. Alles dreht sich ums Training. Du musst aufpassen, dass du nicht krank wirst, dass du fit bleibst. Training ist Prio eins, alles andere steht hinten an.“
Jetzt heißt es erst einmal durchschnaufen. „Ich bin gerade in meiner Prime, aber jetzt machen wir erstmal Pause und dann kommen neue Pläne.“ Ein weiterer Kampf Ende diesen Jahres ist denkbar, denn klar ist: Mit dem Vierfach-Titel steigt auch der Druck. Jeder der großen Weltverbände hat eine Pflichtverteidigung, Rupprecht muss sich ihnen nach und nach stellen – mindestens einmal pro Jahr. Ansonsten gehen die Gürtel automatisch verloren. „Jeder, der jetzt kommt, kann mit einem Kampf alles gewinnen. Ich habe die ganze Vorarbeit geleistet.“ Ein Rückkampf mit Yamanaka ist jedoch nicht vereinbart.

Alter und neuer Champ Tina Rupprecht (GER) hat alle vier Titel gewonnen,Tina Rupprecht (GER) vs. Sumire Yamanaka (JPN), Boxen, Frauen, Titelkampf, Weltmeisterschaft, Atomgewicht, WBC, WBA, WBO, IBF, 05.04.2025 Foto: kolbert_press
Alter und neuer Champ Tina Rupprecht (GER) hat alle vier Titel gewonnen,Tina Rupprecht (GER) vs. Sumire Yamanaka (JPN), Boxen, Frauen, Titelkampf, Weltmeisterschaft, Atomgewicht, WBC, WBA, WBO, IBF, 05.04.2025 Foto: kolbert_press

Besonders gerührt hat sie der Empfang in der Realschule in Zusmarshausen, wo sie als Lehrerin arbeitet. „Eine Kollegin hat ,Simply the Best´ für mich gesungen, die ganze Aula war voll. Sie haben sogar ein Schild gebastelt: Tiny Tina Realschule. Jetzt heißt sie inoffiziell so.“
So ein Schild würde sich sicher auch im Schrebergarten gut machen. Denn hier wie im Ring gilt bei Tina Rupprecht: Ohne Einsatz kein Erfolg. Und ob nun Titel-Gürtel oder Tomaten – am Ende ist alles eine Frage der Leidenschaft.

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