Damit, dass Henri Koudossou in dieser Saison regelmäßig beim FC Augsburg zum Einsatz kommt, hätte er selbst im letzten Juni noch am allerwenigsten gerechnet. Mittlerweile hat sich der 25-Jährige, der in der letzten Spielzeit noch in der 2. niederländischen Liga spielte, in der Bundesliga etabliert. Wie es dazu kam, warum er schon immer ein Spätzünder war und für welches Nationalteam er sich im Zweifelsfall entscheiden würde, verrät er im Interview mit dem Augsburg Journal.
Augsburg Journal: Herr Koudossou, könnten Sie für unsere Leser einmal Ihren bisherigen Karriereweg nachzeichnen? Wie hat bei Ihnen alles angefangen?
Henri Koudossou: Ich habe, wie viele andere, ganz normal in meinem Heimatverein angefangen. Das war der SC Unterpfaffenhofen. Danach bin ich zur Münchner Fußballschule gewechselt. Dort haben wir nur Freundschaftsspiele bestritten, keine Ligaspiele. Der Fokus lag darauf, viel zu spielen, verschiedene Positionen auszuprobieren und sich fußballerisch weiterzuentwickeln. Aber irgendwann braucht man das kompetitive Element, also bin ich zum FC Ismaning gewechselt. Später ging es in die U19 des FC Memmingen in die Bayernliga. Nach einem guten Jahr dort folgte der Wechsel zum SV Pullach in die Bayernliga Herren. Vor allem mein zweites Jahr dort lief sehr gut, ich hatte viele Scorerpunkte. Das hat dann den FC Augsburg auf mich aufmerksam gemacht.
AJ: Sie sind erst mit 20 in ein Nachwuchsleistungszentrum gekommen. Ein eher ungewöhnlicher Weg, oder?
Koudossou: Ja, das war spät. In der U23 des FCA habe ich dann erstmals richtig taktisch geschultes Training erlebt. Das erste Jahr war durch Corona geprägt, wir hatten nur wenige Ligaspiele. Danach konnte ich mich aber gut weiterentwickeln, auch weil ich offensiver auf dem rechten Flügel gespielt habe. Dadurch wurden die Profis auf mich aufmerksam und ich erhielt meinen ersten Profivertrag. Es folgten Leihen nach Lustenau und ADO Den Haag. In Lustenau hatte ich wenig Einsätze, aber in den Niederlanden konnte ich viel Spielzeit sammeln und mich weiterentwickeln. Diese Erfahrungen haben mir sehr geholfen, sodass ich jetzt hier in Augsburg eine Chance bekomme.
Henri Koudossou „war immer ein Spätzünder“
AJ: Nochmal zurück zur Münchner Fußballschule. Würden Sie sagen, das ist ein guter Weg ins Profigeschäft?
Koudossou: Für mich war es der richtige Weg, aber es ist schwer zu sagen, ob es allgemein besser oder schlechter ist als ein früher Einstieg in ein Nachwuchsleistungszentrum. Ich war immer ein Spätzünder. Als ich 17 oder 18 war, sah ich eher aus wie 15. In einem NLZ hätte ich früher wahrscheinlich körperlich Probleme gehabt. So konnte ich mich ohne den Druck einer Liga erst einmal ausprobieren. Für mich war es der richtige Weg, aber das hängt von der Persönlichkeit ab.
AJ: Sie werden oft mit Mert Kömür und Noahkai Banks in einem Atemzug genannt, obwohl Sie eigentlich einer anderen Generation angehören. Was verbindet Sie trotzdem mit den beiden?
Koudossou: Wir alle haben über Augsburg den Weg ins Profigeschäft gefunden. Ich war allerdings schon 23, als ich wirklich auf mich aufmerksam machen konnte. Trotzdem gibt es Gemeinsamkeiten, gerade was unsere Entwicklung betrifft.
AJ: Sie haben in Österreich und den Niederlanden gespielt. Wie unterscheiden sich diese Ligen von der Bundesliga?
Koudossou: Die zweite niederländische und die österreichische Liga sind beide stark auf die Ausbildung junger Spieler fokussiert. In den Niederlanden war das Spiel technisch sehr anspruchsvoll, aber nicht so körperlich wie in Österreich. Dort war es rustikaler, mit mehr Zweikämpfen. Der Sprung von Holland in die Bundesliga war groß, aber nicht so extrem, wie viele denken. In der Bundesliga kommt dann alles zusammen: Taktik, Körperlichkeit, technisches Niveau und Geschwindigkeit.
„Das Trainerteam hat mir sehr geholfen“
AJ: Bei Ihnen wirkt es, als wäre Ihnen der Sprung leichtgefallen. Warum tun sich andere Spieler schwerer damit?
Koudossou: Es war nicht leicht, aber ich hatte schon meine Erfahrungen aus den Leihen zuvor. Meine Zeit in Lustenau war wie ein Probelauf für den Wechsel zur ersten Mannschaft. Das Trainerteam hat mir sehr geholfen und ich habe mich nach der Vorbereitung schnell eingefunden.
AJ: Ihre Familie ist nicht weit entfernt. Wie erleben sie Ihren Durchbruch in der Bundesliga?
Koudossou: Meine Familie ist richtig happy. Meine Mutter kann sich die Spiele aber oft nicht anschauen, weil sie zu nervös ist. Mein Vater meinte schon, dass es keinen Sinn ergibt, sie mit ins Stadion zu nehmen, weil sie eh nicht hinsieht (lacht.). Sie sind mittlerweile nervöser als ich, freuen sich aber auch riesig für mich. Das ist für mich auch top, dass sie so oft kommen können, der Weg ist ja nicht weit. Ich komme ursprünglich aus Germaringen, das sind etwa 40 Minuten mit dem Auto.
AJ: Sie konkurrieren aktuell mit Marius Wolf um die rechte Seite. Wie sehen Sie Ihre Rolle im Team?
Koudossou: Mein Standing in der Mannschaft hat sich durch die vielen Einsätze gesteigert. Meine Teamkollegen suchen mich häufiger auf dem Platz. Trotzdem darf man das nie als selbstverständlich sehen. Ich arbeite hart, um weiter Chancen zu bekommen.
„Ich fühle mich hier sehr wohl“
AJ: Ihr Vertrag hat sich vor Kurzem automatisch bis 2026 verlängert. Können Sie sich vorstellen, länger in Augsburg zu bleiben?
Koudossou: Klar! Ich fühle mich hier sehr wohl, meine Familie ist in der Nähe, der Trainer gibt mir Vertrauen. Alles andere wird die Zukunft zeigen, aber aktuell bin ich sehr zufrieden.
AJ: Sie haben die doppelte Staatsbürgerschaft. Käme für Sie ein Länderspieleinsatz für Togo infrage?
Koudossou: Theoretisch ja, aber ich habe noch keinen togolesischen Pass. Es gab schon losen Kontakt, und es würde mich stolz machen, für das Land meines Vaters zu spielen. Aber ich konzentriere mich jetzt erst einmal auf Augsburg. Wenn hypothetisch aber sowohl Togo als auch Deutschland auf mich zukommen würde, würde ich mich vermutlich für Deutschland entscheiden. Aber das ist in so weiter Ferne, darüber mache ich mir keine Gedanken.
AJ: Augsburg ist aktuell seit sechs Spielen ungeschlagen. Was machen Sie besser als zu Saisonbeginn?
Koudossou: Wir haben viel analysiert und unser Anlaufen verbessert. Wir sind mutiger, verteidigen konsequenter und treten mit mehr Intensität auf, als noch am Ende der Hinrunde.
AJ: Abseits des Platzes: Wie sieht ein perfekter Tag für Sie aus?
Koudossou: Morgens ins Training, Zeit mit den Teamkollegen verbringen, danach vielleicht ein bisschen Extra-Arbeit im Gym. Im Idealfall ist meine Freundin da, sie kommt aus Holland, dort habe ich sie letztes Jahr kennengelernt und wir sehen uns nicht durchgehend. Dann ein Spaziergang durch die Stadt, dort holt man sich einen frischen Saft oder so, abends noch Champions League schauen – das wäre ein perfekter Tag.
AJ: Welche Musik hören Sie vor Spielen, haben Sie da ein bestimmtes Ritual?
Koudossou: Ich höre einfach das, was in der Kabine läuft, da bin ich ganz entspannt. Wir haben einen Kabinen-DJ, das ist meistens Phillip Tietz – und was er spielt, muss ich dann halt anhören! (lacht)
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